Ein Kunde wollte vor einigen Jahren vorab wissen, wer ich bin. Das Interview habe ich gerne gegeben. Es beschreibt mich und mein Literaturprojekt buchhaim sehr gut. Falls Sie nach dem Lesen doch noch die eine oder andere Frage an mich haben, dann können Sie mich gerne kontaktieren.


Frau Putzig, Sie sind Informatikerin, lieben aber heiß und innig die Literatur. Warum sind Sie nicht Buchhändlerin oder Bibliothekarin geworden?

Ach wissen Sie, die Frage klingt so, als hätte ich den falschen Beruf ergriffen, dem ist beileibe nicht so. Ich bin in einem typischen Arbeiterhaushalt der DDR groß geworden. Mein extremer Lesehunger, den ich schon als Grundschüler in unserer städtischen Bibliothek gestillt habe, stand für die Wahl meines Studienfaches überhaupt nicht zur Debatte. Und da ich auch viel Spaß an Mathe, Logik und Algorithmen hatte, entschied ich mich für die damals an der TU Dresden gerade neu aufgebaute Fakultät Informatik. 30 Jahre später mache ich diesen Job immer noch sehr gerne. Aber jede freie Minute gehört nach wie vor der Beschäftigung mit Literatur, dem Lesen, dem Interesse an Allem rund um’s Buch.

Nun haben Sie sich aber doch einen Traum erfüllt und die Literatur zu Ihrem Beruf gemacht. Sie haben buchhaim gegründet. Was ist das?

Ich versuche sowieso stets und ständig, Leute in meinem Umfeld mit meinem Literaturfieber anzustecken. Warum nicht auch beruflich? Konkret beschäftigte ich mich mit einem besonderen Literaturthema. Was wird eigentlich bei dem heutzutage riesigen Markt an Buchneuerscheinungen aus unseren guten alten Klassikern? Kennt man die noch? Liest man die noch? Die Antwort ist einfach: Man kennt den Namen. Goethe, Fontane, Kästner usw. Man kann vielleicht noch ein paar Buchtitel zuordnen. Aber das war’s dann. Das ist der Zahn der Zeit. Bei der Fülle an neuen Büchern, neuen Autoren geraten die Alten naturgemäß in Vergessenheit. Das ist nicht schlimm, aber eben auch ein bisschen schade. Mit buchhaim bringe ich die Schriftsteller der vergangenen Jahrhunderte wieder mal in unsere Mitte. Was waren das für Typen? Was haben sie noch so gemacht? Meine Vorträge spüren den Autorinnen und Autoren zeitgemäß nach. Wir entdecken sie quasi wieder neu. 

Aber Biografien über berühmte Schriftstellerinnen und Schriftsteller gibt es doch zu Genüge! Wikipedia und Google liefern mit nur einem Klick seitenweise Informationen - und in der Schule haben die meisten von uns das alles sowie schon zu genüge „durchgekaut“. Was also ist das Besondere an Ihren Vorträgen?

buchhaim gibt keine Auskunft, so wie Wikipedia das tut. Es geht weniger über „geboren und gestorben am soundsovielten“, sondern um das Entdecken einer Persönlichkeit, des Menschen hinter einem allseits bekannten Namen. Meine Recherche unterscheidet sich deutlich vom Fakten sammeln. Ich suche eher Begebenheiten, Unbekanntes, Zusammenhänge und vermeintlich Unscheinbares. Ich erzähle in meinen Vorträgen viele Details, Lustiges, Trauriges, ein bisschen Klatsch und Tratsch gehört auch immer dazu. Mit dabei habe ich immer meine „Wunderkammer“. Darin gibt es zum jeweiligen Schriftsteller viel zu entdecken.

Wunderkammer? Was ist das denn?

In den heutigen Zeiten digitaler Informationsfluten finde ich es einfach schön, Informationen durch Begreifen im eigentlichen Wortsinn zu vermitteln. Bei meinen Recherchen zu einem Schriftsteller entdecke ich Zeitschriften, längst vergriffene Bücher, Museumsflyer, literarische Stadtpläne und vieles mehr. Soweit das möglich ist, sammle ich das alles in einem Koffer und bringe es zum Vortrag mit. Der Koffer ist meine „Wunderkammer“, Stöbern ist ausdrücklich erwünscht.

Sie möchten das Unbekannte bekannt machen, das bisher Unerzählte erzählen. Ihre Vorträge sind voller Details und Anekdoten, die selbst versierte Literaturfreunde überraschen können. Wie tragen Sie dieses Wissen zusammen?

Naja, ich reise gern und ich lese gern, das sind schon mal zwei gute Voraussetzungen für die literarische Recherche. Meine Familie muss manchmal ein bisschen leiden, weil ich bei Städtetrips genau in dem Cafe meinem Kaffee trinken muss, wo auch die berühmten Schriftsteller gesessen haben. Die literarische Spurensuche ist heutzutage dank Internet und Literaturinstitutionen und -archiven sehr effektiv möglich, und dann gilt es nur noch den richtigen Riecher für Inhalte zu haben. Das ist sehr zeitintensiv, aber ich mache das gerne und betrachte es gar nicht so sehr als Arbeit.

Jetzt starten Sie gemeinsam mit uns eine neue Veranstaltungsreihe. Was erwartet die Besucherinnen und Besucher?

Ich freue mich sehr über und auf die neue Veranstaltungsreihe. Es sind zunächst vier Veranstaltungen geplant. Wir beginnen mit einem Urgestein unter den deutschen Schriftstellern, mit Erich Kästner, der am 23. Februar Geburtstag hat. Er ist ein ganz besonderer Beobachter des Berlins der 20er Jahre. Kurt Tucholsky, dem wir uns beim zweiten Termin im Juni widmen, ist ebenfalls ein pointierter Analyst der Weimarer Republik. In der dritten Veranstaltung rücken wir mit Christa Wolf eine umstrittene DDR-Schriftstellerin der näheren Vergangenheit in den Mittelpunkt. In der letzten Veranstaltung in diesem Jahr wird es um Theodor Fontane gehen.